Eigene Berichte

Der Dossenheimer Porphyr

Werksteine im eigentlichen Sinne sind in den Dossenheimer Porphyrsteinbrüchen nie produziert worden. Zu zerklüftet undvon seiner Struktur her zu unregelmäßig ist der Fels hier am Steilabbruch des Odenwaldes zur Rheinebene hin. Lediglich im Steinbruch Leferenz konnten in begrenztem Umfang auch Pflastersteine und Bordsteinkanten gefertigt werden.

Der Dossenheimer Porphyr

Obwohl ich unter diesen gelben Porphyrwänden aufgewachsen bin und stillgelegte Teile der Steinbrüche eine Art Abenteuerspielplatz für mich darstellten, sollten noch einige Jahre nach meiner Lehrzeit als Steinmetz und Steinbildhauer vergehen, bis ich dieses spröde und widerspenstige Material zu nutzen begann. Als Blockstufe und Wegplatte war es für die Gartenarchitektur hervorragend geeignet. Ein Auftraggeber war von seiner Schönheit und Vielseitigkeit so beeindruckt, dass er mir eines Tages die Frage stellte, ob aus diesem Material nicht auch Skulpturen zu fertigen seien. Dies verneinte ich zunächst. Allerdings ließ mir die Sache keine Ruhe, bis ich mich schließlich an die großen Felsen, die sogenannten „Knäpper” heranwagte, sie zu bohren und zu spalten begann, um das verbleibende gesunde Material für skulpturale Arbeiten zu nutzen. Groß waren die Enttäuschungen, denn immer wieder zogen sich Risse und Klüfte kreuz und quer durch die Felsen. Unverhältnismäßig groß war der Aufwand an Zeit und Werkzeug, um eine brauchbare Gesteinspartie zu gewinnen. Schließlich sind sie zutage getreten: jene „Steinwesen”, menschenähnliche Figuren, die für meine zukünftige Arbeit charakteristisch werden sollten. Der Porphyr hat mich durch seine schwierigen technischen Eigenschaften zur Klarheit und Einfachheit in der Form gezwungen.

Von den Mitarbeitern der Firma Vatter und der Firma Leferenz habe ich gelernt, wie man solch voluminöse Brocken überhaupt bewegt. Durch ihre Hilfe wurde ich mit dem Material vertraut. Es war aber nicht nur die physische Hilfe, die mich diesem Material nahe brachte. Es waren vor allem die Geschichten, die Anekdoten, aber auch die Dramen, welche sich in den Dossenheimer Steinbrüchen abgespielt haben, die im Laufe der Zeit eine ganz eigentümliche Verbundenheit zu diesen Bergen und zu den Menschen, die hier gearbeitet, teilweise gelitten haben, im Extremfalle auch gestorben sind, erzeugt haben. Obwohl ich in Dossenheim aufgewachsen bin, bleibe ich doch immer ein Fremder, „in Noigschnoischta”, weswegen man mich anfänglich in den Steinbrüchen argwöhnisch beäugt hat. Die gemeinsame Arbeit, die gemeinsame Sprache des Steins ließ uns über Jahre hinweg zusammenwachsen.

Heute verwende ich für meine bildhauerische Arbeit Steine aus aller Welt. Sogar bis ins südliche Afrika muss ich reisen, um nutzbares Material ausfindig zu machen. Trotzdem weiß ich, dass ich ohne die hier in den Dossenheimer Porphyrsteinbrüchen gemachten Erfahrungen nicht fähig gewesen wäre, so souverän in jedem beliebigen Material zu agieren, wie ich es heute tue.

Für meinen künstlerischen Werdegang war die Arbeit mit dem Dossenheimer Porphyr von entscheidender Bedeutung.

Der Steinplatz vor der Schauenburghalle markiert einen Endpunkt in dieser Entwicklung. Es wird künftig nicht mehr möglich sein, Werksteine von diesen Ausmaßen aus Dossenheimer Porphyr zu gewinnen.

Die Firma Leferenz hat schon vor Jahrzehnten den Gesteinsabbau eingestellt. Die Restbestände von eventuell bildhauerisch nutzbarem Material sind erschöpft. Firma Vatter, das letzte noch tätige Unternehmen in Sachen Porphyrgewinnung, hat seine Aktivitäten zu einem Ende bringen müssen. Damit wird der Dossenheimer Porphyr als ein nicht mehr in Abbau stehendes Vorkommen zu einem „historischen ”. In begrenztem Umfang kann ich jedoch immer noch Restbestände für skulpturale Arbeiten verwenden.

Knut Hüneke, 05.April 2006 (überarbeitete Version)

 

Der Weg zur Skulptur

„Soviel Stein wie möglich und soviel Figur wie nötig.”

Der Weg zur Skulptur führt über das Material. Es ist in seinen Eigentümlichkeiten wie Oberflächentextur, Form und Farbe, aber auch Massivität und Gewicht bestimmend für die Aussagekraft einer Skulptur.
Der Gestaltungsprozess beginnt im Steinbruch mit dem Loslösen der Steine aus dem Felsverband. Das Aussuchen eines geeigneten Rohlings und seine Ausrichtung ist der Beginn der Skulptur. Bevorzugt werden Formate, welche menschliche Proportionen beinhalten. Die Idee gibt der Stein in seinen Abmessungen und in seiner Geometrie vor. Nun folgt die Klärung der Massen auf dem Skizzenblatt. Sie machen den Stein gläsern, eilen dem handwerklichen Prozess voraus, versuchen das Volumen des Steins in seiner maximalen Ausdehnung zu nutzen.
Angezeichnet wird direkt auf die Gesteinsoberfläche unter Verzicht auf das in der Bildhauerei sonst übliche Tonmodell. Alles über dem Riss anstehende Material muss abgearbeitet werden.
Diamantscheiben fressen sich in das Material, mit dem Setzeisen und dem Handfäustel wird es weggeschlagen. Wo das Setzeisen auftrifft wird es geprellt und es verfärbt sich weiß - ähnlich wie bei einem Hammerschlag auf Glas. Gleiches ist bei den Schnitten mit der Diamantscheibe der Fall.
Beides, sowohl die Schläge mit dem Setzeisen, als auch die Schnitte mit der Diamantscheibe werden wie Zeichenstriche verwendet, die Form und Fläche begrenzen. So entwickelt sich langsam eine dreidimensionale Zeichnung, eine Steinzeichnung.
Wo es sich ergibt, werden die durch Mineralien und Erze verfärbten Außenflächen stehen gelassen und in die Gestaltung einbezogen.
Die Ursprungsform bleibt immer erkennbar. Ziel ist, dem Stein soviel zu lassen, wie er braucht, um Stein zu bleiben, der Figur soviel zu geben, wie sie braucht, um in Erscheinung zu treten.

Knut Hüneke, den 24.05.04

 

Die Geister von Gebel Qatrani

Jeder Besucher ist ergriffen bis erschreckt von dem Anblick der schwarzen Basaltschuttkegel, die sich nach ca. 60 km Fahrt durch die Libysche Wüste vor ihm auftürmen. Gerade im quirligen, vor Leben überquellenden Niltal aufgebrochen, befindet er sich nun in einem der einsamsten und verlassensten Gebiete der Erde. Die Trockenheit ist so extrem, dass nicht einmal der kleinste Grashalm überleben könnte, die Stille so ungewohnt, dass der eigene Pulsschlag zum Tosen wird.

Lybische Wüste, Gebel Qatrani

„Deshret”, das Rote Land ist der altägyptische Name für die Wüste. Im Gegensatz zu „Kemet”, dem schwarzen, fruchtbaren Land des Niltals. Hier herrschte „Maat”, die Ordnung, während die Wüste das Chaos symbolisierte. Am westlichen Wüstenrand wurden die Toten bestattet. Die Wüste selbst war das Totenreich, bewacht von Seth, einem Fabelwesen von schakalhaftem Aussehen und mit diabolischen Eigenschaften. Noch heute wagt sich der Ägypter nur äußerst ungerne in die Wüste. Er fürchtet die Beduinen, die sie als ihre Heimat betrachten, mehr noch aber die "Dschinns" und „Afrits”,die bösen Geister, die hier umherirren.

Zur großen Pyramidenzeit des alten Reiches, also vor über 4000 Jahren, legten die pharaonischen Baumeister eine Transportrampe vom Qarunsee bis nach Gebel Qatrani an, um den dort vorkommenden Basalt abtransportieren zu können. Die Böden der Totentempel durften nur mit diesem Material belegt werden und kein Aufwand wurde gescheut. Über die Gründe darf spekuliert werden...
Der Magie des Ortes kann sich kaum einer entziehen.

Ab 1994 unternahm ich regelmäßig Fahrten nach Gebel Qatrani. Zunächst in Konvoi, später auch allein, was angesichts des altersschwachen Geländewagens, den ich damals fuhr, ein ziemliches Wagnis darstellte. Allerdings hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, den schwarzen Basalt von Gebel Qatrani für mein skulpturales Werk nutzbar zu machen.

Mit dem eigenhändigen Gesteinsabbau begann ich 1996, wobei ich die Erkaltungsrisse des Basaltes ausnutzen konnte. Ohne spezielle technische Ausrüstung, nur mit Brechstange, Vorschlaghammer, Keilen und ein paar Grabwerkzeugen konnten die Werkstücke aus dem Gesteinsverband herausgelöst werden. Die Grundformen, welche die Natur lieferte, waren bestens für meine Idee von Skulptur geeignet.
Nur wenige Stunden konnte ich jeweils in der Gluthitze arbeiten. Um noch rechtzeitig vor Dunkelheit die Oasenstraße zu erreichen, musste ich früh die Arbeiten abbrechen.
Oft dachte ich an die Arbeiter, die zu pharaonischen Zeiten wohl keine Möglichkeit hatten, diesem einsamen und unheimlichen Ort zu entfliehen. Ihr kärgliches Lager, bestehend aus sogenannten Kriechhütten, ist noch heute im Wüstensand sichtbar. Es ist kaum anzunehmen, dass sie freiwillig die Arbeit an den schattenlosen Steilhängen verrichtet haben.

Einmal nahm ich einen Fotograf mit, der das Losbrechen und Bergen eines Steines dokumentieren wollte. Während der Aktion kam ein Kleiner Wirbelsturm auf, der mich völlig einhüllte und mir jede Fortsetzung meiner Arbeit unmöglich machte. Der Fotograf stand nur wenige Meter von mir entfernt im Sonnenlicht und wurde nicht durch den kleinsten Luftzug in Mitleidenschaft gezogen. Soviel zum Thema: „Die Geister von Gebel Qatrani”.

Sie sind mir im Laufe der Zeit zu Freunden geworden.

Knut Hüneke, Heidelberg , den 3.10.2001